Anfang Juni kamen 30 Biersommeliers aus Deutschland, Österreich und Italien nach Wien, um am Master of Beer-Seminar mit dem Thema Wiener Lager teilzunehmen.

Zwei Tage für einen Bierstil schienen zunächst ausgiebig viel Zeit zu sein. Doch schnell stellte sich heraus, dass es viel zu erkunden und zu genießen gab. Insgesamt standen 21 Biere auf dem Programm, und die Erfrischungsbiere waren da nicht eingerechnet!

Das Seminar wurde gemeinsam von Hans Wächtler von Bierbegeisterung (Bamberg) und Stefan Grauvogel von Arte Bier (Italien) angeboten. Stefan übersetzte für die italienischen Biersommeliers. Durchgeführt wurde es von Diplom-Biersommelier Michael Kolarik-Leingartner, ausgebildeter Brauer und Biersommelier-Staatsmeister.

Seminarstart im Brauhof

Tagungsort war zunächst das Hotel Brauhof Wien, das auch mit einer eigenen Brauerei ausgestattet ist. Es bot somit die ideale Umgebung für das Seminar. Das Hotel gehört zur Brau-Union und wird als Kaltenhauser Botschaft Fünfhaus geführt. Fünfhaus ist ein Bezirksteil des 15. Wiener Gemeindebezirkes in Wien. Das Hofbräuhaus Kaltenhausen ist Salzburgs älteste Brauerei. Das Hotel bietet Brau-Seminare, Brauerei-Führungen, Bier-Verkostungen und Bier-affine Zimmer an.

Brauhof Kaltenhauser Botschaft Foto: Brauhof

Das Seminar startete mit einer Einführung in das Thema und einer Verkostung von verschiedenen Bieren, die von Michael präsentiert wurden. Sein einführendes Credo lautete: „Für das Wiener Lager findet man in zahlreichen Stilkatalogen Beschreibungen, die kaum abweichen. Dennoch ist das Wissen von Verkostern bei internationalen Wettbewerben erschreckend gering! Das BJCP beinhaltet die umfassendste Beschreibung.“

Die Kriterien des Wiener Lager

Die dann verkosteten Biere erfüllten teilweise die Kriterien des BJCP (Beer Judge Certification Program) für das Wiener Lager, wurden jedoch nicht unter diesem spezifischen Label geführt. Der Styleguide beschreibt das Wiener Lager als einen Bierstil, der sich durch eine ausgewogene Mischung von malzigen und hopfigen Aromen auszeichnet. Hier sind die wesentlichen Merkmale:

Gesamteindruck: Ein mäßig kräftiges, bernsteinfarbenes Lagerbier mit weicher, sanfter Malznote und mäßiger Bitterkeit, das im Abgang jedoch relativ trocken ist. Der Malzgeschmack ist rein, brotig und leicht geröstet, mit einem eleganten Eindruck, der von hochwertigen Basismalzen und Prozessen herrührt, nicht von Spezialmalzen und Zusatzstoffen.

Schwechater Brauerei, Geburtsort des Wiener Lager. Foto: Matthias Willig, www.Biergenuss-Willig.de

Aussehen: Helle rötliche Bernstein- bis Kupferfarbe. Helle Klarheit. Großer, cremefarbener, ausdauernder Schaum.

Aroma: Mäßig intensives Malzaroma mit gerösteten und malzigen Aromen. Klarer Lagerbiercharakter. Das blumige, würzige Hopfenaroma kann gering bis gar nicht vorhanden sein. Ein deutlicher Karamell- oder Röstaroma ist ungeeignet.

Geschmack: Im Vordergrund steht die sanfte, elegante Malzkomplexität mit einer ausreichend starken Hopfenbitterkeit, die für einen ausgewogenen Abgang sorgt. Der Malzgeschmack tendiert zu einem reichen, gerösteten Charakter, ohne nennenswerte Karamell- oder Röstaromen. Ziemlich trockener, knackiger Abgang mit reichhaltiger Malz- und Hopfenbitterkeit im Nachgeschmack. Der blumige, würzige Hopfengeschmack kann gering bis gar nicht vorhanden sein. Sauberer Lagerbier-Gärungscharakter.

Mundgefühl: Mittelleichter bis mittlerer Körper mit sanfter Cremigkeit. Mäßige Kohlensäure. Glatt.

Inhaltsstoffe: Wiener Malz bietet ein leicht geröstetes und komplexes, Maillard-reiches Malzprofil. Wie beim Märzen sollten nur beste Malzqualitäten und europäischer Hopfen (vorzugsweise Saazer Sorten oder Steirer) verwendet werden. Kann einige Karamellmalze und/oder dunklere Malze verwenden, um Farbe und Süße hinzuzufügen, aber Karamellmalze sollten kein nennenswertes Aroma und Geschmack hinzufügen und dunkle Malze sollten keinen Röstcharakter verleihen.

Stilvergleich: Leichterer Malzcharakter, etwas weniger Körper und im Gleichgewicht etwas bitterer als ein Märzen, jedoch mit vielen der gleichen Malzaromen. Der Malzcharakter ähnelt einem Märzen, jedoch weniger intensiv und ausgewogener. Weniger Alkohol als Märzen oder Festbier. Weniger reichhaltig, weniger malzig und weniger hopfenbetont im Vergleich zum tschechischen Amber Lager.

Kommentar: Ein Alltagsbier in Standardstärke, kein Bier, das für Feste gebraut wird. Amerikanische Versionen können etwas kräftiger, trockener und bitterer sein, während moderne europäische Versionen tendenziell süßer sind. Viele mexikanische bernsteinfarbene und dunkle Lagerbiere waren früher authentischer, ähneln heute aber leider eher süßen, mit Zusatzstoffen angereicherten bernsteinfarbenen/dunklen internationalen Lagerbieren. Bedauerlicherweise verwenden viele moderne Exemplare Zusätze, die die reichhaltige Malzkomplexität, die für die besten Exemplare dieses Stils charakteristisch ist, abschwächen. Dieser Stil steht auf der Beobachtungsliste, um in zukünftigen Richtlinien in die Kategorie „Historisch“ verschoben zu werden. Dies würde es ermöglichen, den klassischen Stil zu beschreiben und gleichzeitig die süßeren modernen Versionen in die Stile „International Amber“ oder „Dark Lager“ zu verlagern.

Das neue Wiener Lager

Das erste Bier, das Samuel Adams Boston Lager, wurde von Michael als Referenzbier eingeführt. Nachdem das Wiener Lager nicht mehr gebraut wurde, hat die US-Brauerei das Wiener Lager wiederbelebt. Das Boston Lager kam 1984 auf den Markt und hat der damals jungen Craft Beer-Bewegung einen Schub verpasst. Das bernsteinfarbene Lagerbier wird nach dem Reinheitsgebot gebraut und hat leichte süße Röstmalze, Karamell- und Toffeenoten und einen ausgeprägten Hopfencharakter mit dezenten Kiefern-Zitrusnoten. Es endet mit einem kurzen Abgang. Im weiteren Verlauf der Verkostung hat Michael folgende Biere präsentiert.

Hadmar von Weitra Bräu: Das Bio-Bier, benannt nach dem Begründer der Städte Weitra und Zwettl, hat eine bernsteinfarbene Farbe mit einer eleganten Schaumkrone und einen duftenden Karamellton. Der Antrunk ist fruchtig-malzig mit einer fein spielenden Kohlensäure und erinnert an Passionsfrucht und Datteln.

Freistädter Rotschopf – ein Bier von der weltweit einzigartigen Braucommune in Freistadt. Es handelt sich um ein Amber Ale, das durch seine charakteristische Bernsteinfarbe und seinen malzigen Geschmack gekennzeichnet ist. Das Bier zeichnet sich durch eine angenehme Balance zwischen malzigen Aromen und einer moderaten Bitterkeit aus. Der Rotschopf hat einen mittleren Körper und eine moderate Kohlensäure.

Hofstettner Bier Granit: Es wird von der Hofstettner Brauerei in der Gemeinde St. Martin im Mühlkreis gebraut. Es besticht durch seinen schimmernden, bernsteinfarbenen Ton. Bereits beim ersten Schluck entfalten sich zarte Karamellnuancen, die von dunklen Malzen stammen. Dieses Bier vereint die Röstnoten auf harmonische Weise mit der Leichtigkeit heller Malze. Die Hopfenaromen sind bewusst dezent gehalten und tragen zu einem Hauch von blumiger Frische bei, der das Geschmackserlebnis bereichert. Der Name Granit erinnert an die geologische Besonderheit des Mühlviertels. Das Wasser, das für dieses Bier verwendet wird, durchläuft den Granitstein, der als natürlicher Filter wirkt. Dadurch erhält es eine einzigartige Qualität.

Das Grieskirchner Landl Bier ist ein Lagerbier mit einer leuchtenden, bernsteinigen Farbe. Es zeichnet sich durch ein sanft-würziges Malzaroma aus, das harmonisch mit einer fein eingebundenen Bitteren zusammenwirkt. Beim Verkosten entfalten sich darunter Karamell- und Toffee-Noten, die dem Bier eine angenehme Süße verleihen. Zudem sind frische Orangenaromen wahrnehmbar. Der Geschmack ist würzig und röstaromatisch, gleichzeitig jedoch auch samtig-mild.

Das Batzen Bräu Vienna präsentiert sich mit einem beständigen und feinen Schaum mit einer wunderschönen Bernsteinfarbe. Es entfalten sich malzige Nuancen mit leichten Biskuitnoten, die dem Bier eine angenehme Komplexität verleihen. Die Textur des Batzen Bräu Vienna ist vollmundig und cremig, mit einer angenehmen Kohlensäure. Im Abgang zeigt sich eine dezente Würze.

Außerhalb der Reihe haben wir das Schlawienerla von der Meinel-Bräu aus Hof in Bayern verkostet, ein Jubiläumsbier zum 150-jährigen Bestehen der Brauerei. Es erfüllt allerdings kaum die Kriterien, um als Wiener Lager durchzugehen. Markus Dümmling hatte das Bier, animiert durch den Namen und angegebenen Bierstil, mitgebracht, zuvor aber nicht verkosten können.

Auf zum Geburtshaus des Wiener Lagers

Weiter ging es dann zur Schwechater Brauerei. Der Ort, an dem das Wiener Lager seinen Anfang durch Anton Dreher nahm. Biersommelier Dr. Andreas Urban, Braumeister der Brauerei Schwechat, Präsident des Bundes Österreichischer Braumeister und Brautechniker, sowie Juror der Austrian Beer Challenge, des European Beer Star und des World Beer Cup, gab den Einblick in die Geschichte der Brauerei und des Wiener Lager, das vom Wiener Vorort Schwechat aus für Furore sorgte.

Das Klein-Schwechater Lager

Das untergärige Bier wurde im Jahr 1841 von Anton Dreher (dem Älteren) in der Brauerei Klein-Schwechat gebraut. Dreher hatte einen äußerst ungewöhnlichen Eiskeller für diese Zeit angelegt. Einige Jahre später baute Carl von Linde für die Schwechater die erste Kältemaschine, die das Brauen von Lagerbieren ganzjährig ermöglichte. Dank englischer Technologien gelang es Dreher, helleres Malz herzustellen. Dadurch entstand eine neue Biergattung, die das Brauwesen nachhaltig revolutionierte. Das Schwechater Lager wurde durch die Kombination von kalter Gärung mit der englischen Vermälzungstechnik entwickelt. Mit dem von Dreher eingeführten Wiener Malz war es erstmals möglich, bernsteinfarbene Biere massentauglich herzustellen.

Konkurrenz aus Pilsen

Die Bierkonkurrenz entwickelte sich stetig weiter. Bereits im Jahr 1842 gelang es Joseph Groll in Pilsen, noch heller zu vermälzen und das Pilsner Malz zu entwickeln. Es konnten noch hellere, goldfarbene Biere gebraut werden, was dazu führte, dass der Bierstil Wiener Lager bald an Bedeutung verlor.

Rettung aus einem anderen Kontinent

Österreichische Auswanderer brachten das Wiener Lager nach Mexiko und bewahrten es vor der gänzlichen Versenkung, bis die Craft Beer-Bewegung in den USA in den 1970er-Jahren den Stil wiederentdeckte. Glücklicherweise fand das Wiener Lager in der modernen Bierlandschaft eine neue Wertschätzung und wird von vielen Brauereien weltweit gebraut, die den einzigartigen Charakter und die Tradition dieses Bierstils hochhalten. Unterschiedlichste Interpretationen führen allerdings zur Verwässrung der Sorte.

Verkostung weiterer Lager

Andreas brachte uns weitere fünf Biere zur Verkostung mit:

100 Blumen Wiener Lager: Auch die Brauerei 100 Blumen aus dem 23. Bezirk hat es sich zur Aufgabe gemacht, den alten Wiener Braustil neu zu beleben und ins 21. Jahrhundert zu holen. Es zeichnet sich durch einen vollmundigen Körper und ein angenehmes Malzaroma aus.

Brauhaus Gusswerk Wiener Lager: Das Bier präsentiert sich in einem hellen Braunton mit einem natürlichen, weißen Schaum. Bereits mit dem ersten Duft nehmen wir frisch-säuerliche Malznoten wahr, begleitet von einer feinen Nuance von Kamillenblüten. Im Mund entfaltet sich eine malzig-trockene Geschmacksnote, die von einer leichten Bitterkeit begleitet wird. Beim Ausklang erscheinen herbe Getreidenoten, die von subtilen Anklängen an Kräuter und Williamsbirne begleitet werden. Das Bier präsentiert sich malzaromatisch trocken und besticht mit einer faszinierenden Intensität. Bei der Auswahl der Hopfensorten wurden Mühlviertler Malling, Tettnanger Tradition, Tettnanger Aroma und Saphir verwendet. Die Malzmischung besteht aus Pilsner- und Wiener Malz.

Hofbräu Kaltenhausen Original: Das bernsteinfarbene, naturtrübe Original ist vollmundig und mild gehopft. Es bringt eine intensive Malzblume bei gleichzeitig feiner Karamellnote hervor.

Muttermilch Wiener Bubi: Muttermilch gehört zu Beerlovers, dem größten Craftbier Store in Österreich. Dazu gehört eine eigene Kleinbrauerei, die Muttermilch Vienna Brewery. Sie wird von Karl Karigl (unter anderem bekannt für gehopften Blakstoc Cider) geleitet. Der Wiener Bubi präsentiert sich als traditionelles Wiener Lager mit einer charakteristischen Bernsteinfarbe. Die Schaumkrone ist feinporig und ansprechend. In der Aromatik entfalten sich biskuitartige Noten, begleitet von blumigen Nuancen. Der Geschmack zeichnet sich durch eine angenehme Malzsüße aus, die von einer feinen Karamellnote begleitet wird. Der Abgang ist trocken und die Kohlensäure moderat, was das Bier besonders bekömmlich macht. Die angenehme Bittere verleiht dem Wiener Bubi einen anregenden Charakter.

Ende des ersten Tages im Schweizerhaus (Teil 2 folgt)

Der Tag wurde mit dem Besuch des Schweizerhaus im Wiener Prater abgerundet. Es bietet Platz für über 2.000 Gäste. Es gibt einen ausgedehnten Biergarten, der in verschiedene Bereiche unterteilt und nach den Wiener Gemeindebezirken benannt ist. Es gibt auch eigenständige Bereiche mit Bezeichnungen wie Oberlaa und Kaisermühlen.

Seit 1880 befindet sich das Schweizerhaus an der heutigen Standortadresse Prater 16. Es wurde zunächst von Boruslav Straßnicky aus dem Bürgerlichen Brauerei in Pilsen („Geburtsort“ des Pilsners) geführt. Nach mehreren Pächterwechseln ging das Schweizerhaus 1920 an die Familie Kolarik, die das Haus heute noch betreibt.

Im Schweizerhaus werden verschiedene Biere ausgeschenkt, darunter das bewusst langsam gezapfte Budweiser Budvar Original Premium Lager mit weniger CO2. Dazu gibt es Budweiser Budvar Dark Lager mit seiner tiefschwarzen Farbe und erfrischenden hopfenherben Note. Es beiden Budweiser werden auch als G’mischtes angeboten.

Weiterhin findet man auf der Bierkarte das Grieskirchner Export Dunkel, ein vollmundiges Bier mit einer leichten Restsüße. Ebenso gibt es das Budweiser-Grieskirchner G’mischtes, bei dem die Biere miteinander kombiniert werden. Die Erdinger Urweisse befindet sich ebenfalls auf der Karte wie das Ottakringer Rotes Zwickl Gold Fassl mit einer zarten Karamellnote.

Prost!

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